Ein Gespräch mit dem, der immer redet

Kennst du diese Stimme, die ständig alles hinterfragt. Ich habe sie interviewt.


Ich:
Hi, schön das du es geschafft hast!

Er:
Um dich fertig zu machen, hab ich immer Zeit. Weißt du doch. Egal ob kurz vor dem Einschlafen oder direkt nach dem Aufstehen. Ich bin immer für eine unkonstruktive Kritik oder Panikmache zu haben.

Ich:
Das stimmt. Du hast wirklich immer Zeit für mich. Auch wenn ich gerade gar keine Zeit für dich habe. Doch mich interessiert, wann wir uns das erste Mal begegnet sind? Wann bist du eingezogen, in meinen Kopf?

Er:
Ich war schon immer da, bin immer da und werde es immer sein. Es gibt keinen Anfang. Ich bin du.

Ich:
Interessant. Wenn ich du bin, was treibt dich an, mit dir selbst so umzugehen. Dich ständig zu kritisieren und alles infrage zu stellen?

Er:
Naja, ich habe hier meinen Platz. Das ist meine Berufung. Es ist mein Job dich darauf hinzuweisen, dass du ein Versager bist. Das du nichts kannst. Dich zu warnen. Wenn ich das nicht mache – sich das ändern sollte – dann bin ich arbeitslos. Das kann ich unmöglich zulassen.

Ich:
Ist das nicht enorm stressig?

Er:
Ich mache das schon immer so. Ich hinterfrage nicht, was seit jeher gut funktioniert. Und das wird auch immer so bleiben.

Ich:
Mir kommt das ähnlich vor. Doch bei letzterem muss ich dich wohl enttäuschen.

Er:
Wie meinst du das? Was willst du damit sagen?

Ich:
Das es nicht so bleiben wird.

Er:
Wovon redest du?

Ich:
Das schon lange nichts mehr so ist wie es war. Es verändert sich die ganze Zeit, nur du merkst es nicht. Du verharrst in deinen Mustern und der Alarmbereitschaft, obwohl es längst überflüssig ist. Schau hin.

Er:
Was soll ich mir anschauen?

Ich:
Was sich verändert hat. Wie habe ich all das bisherige geschafft? Laut dir ist das unmöglich.

Er:
Was hast du denn geschafft?

Ich:
Wenn ich zurückblicke, dann sehe ich einen ereignisreichen Lebensweg mit vielen Höhen und Tiefen und dennoch stehe ich hier – am Gipfel meines eigenen Berges.

Er:
Du hast doch gar nichts erreicht. Das ist alles Standard, 0815, ein Lebensentwurf wie aus dem Ikea-Katalog. Nichts besonderes. Das ist kein Leben. Das ist kein Erfolg – davon bist du weit entfernt. Alles bleibt so wie es ist. Du wirst nie Erfolgreich sein.

Ich:
Könnte es sein, dass du dich davor fürchtest, hier nicht mehr gebraucht zu werden?

Er:
Was meinst du? Das ich überflüssig bin, wenn ich deinen Erfolg zulasse?
Ich habe keine Angst. Ich mache Angst. Ich verbreite unbegründete Sorgen.

Ich:
Genau das meine ich. Dein Sorgen sind unbegründet und werden in den meisten Fällen niemals eintreten. Daher bist du ja schon überflüssig. All deine Worte sind überflüssig. Wer ständig auf Dinge hinweist oder falsche Warnungen ausspricht, ist unnütz.
Du bist unnütz.

Er:
Ich bin wichtig. Jahrelange habe ich dich gewarnt, vor den Unwägbarkeiten des Lebens. Dir als Beschützer zur Seite gestanden und jetzt wirfst du mir vor ich sei überflüssig.

Ich:
Ich werfe es dir nicht vor. Ich stelle fest, dass Du es bist.

Er:
Was glaubst du wer du bist? Ohne mich bist du ein Niemand. Und wirst es immer bleiben. Ohne mich…

Ich:
Ohne dich werde ich vielmehr zu mir selbst. Kann mich entwickeln und neue Dinge ausprobieren. Dein Warnungen sind Hirngespinste. Gedanken eines alten Ichs. Dessen Leben schon lange nicht mehr existiert. An dem du festhältst statt loszulassen.

Er:
Du bist …

Ich:
Ich bin was?

Er:
Das ist doch ganz einfach: Was glaubst du, wer du bist? Du kleiner Imposter. Ich sehe es auf den ersten Blick. Deine Gedanken sind chaotisch unsortiert und wenig sinnvoll. Ein Blog – mach dich ruhig lächerlich.

Ich:
Das mag stimmen. Ich bin kein Genius – aber schreibe trotzdem. Ich bin zu einem Teil sicherlich Imposter. Ein Amateur, der sich erlaubt etwas preiszugeben, weil es ihm wichtig ist. Der ein Experiment eingeht. Diesen Blog zu schreiben und zu sehen, was passiert. Was ich daraus lernen kann.

Er:
Du bist aber unwichtig. Du bist ein nichts.

Ich:
Und du bist entlassen. Gekündigt, gefeuert, in Pension, Ruhestand. Nenn es wie du willst, aber dieses Apartment ist geschlossen – mein Kopf gehört mir. Danke für das Gespräch.

Er:
Ich bin noch nicht fertig. Hör mir zu! Du kannst das nicht. Du wirst das nie schaffen. Hallo… Hallo…
Wie..
Was fällt dir ein. Was mach ich denn jetzt, wenn es dir egal ist, was ich zu kritisieren habe. Du kannst doch nicht einfach gehen.

Ich:
Doch, und dich kann man jetzt übrigens lesen – auf dem Blog.

Er:
Man kann was?


Ich schreibe genau deshalb – weil ich unsicher bin.
Kennst du ähnliches?
Dann lass quatschen@dennisheukamp.de oder schreib mir einen Kommentar.

Beste Grüße
Dennis

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